Die Geschichte des Boxens in Zerbst
Die Geschichte des Boxsports in Zerbst von 1922-1968
Es war im Spätsommer 1921, als der erfolgreiche Schwerathletensport seine Popularität verlor. Da machte sich der Vorstand des I. Zerbster Athletenklubs 1894, über das Weiterbestehen seines Vereins Gedanken. Richard Woche und der Vorsitzende Max Thiele versuchten; den Boxsport in Zerbst zu entwickeln. Zuerst gab es Wenig Interesse für diese noch unbekannte Sportart, die im Verhältnis zu heute mehr Schlägerei als Boxen war, Die Kämpfe wurden, wenn nach drei Runden keine Entscheidung gefallen war, bis zu fünf Runden ausgetragen, da es kein Unentschieden gab. Im November 1922 war das Interesse in Zerbst soweit gestiegen, daß der erste gemischte Kampfabend mit Gewichtheben, Ringen und Boxen stattfand. Neben Willi Brandt waren Richard Woche, Otto Flick und Karl Kietz die ersten Kämpfer. Mit der Umbenennung in „Kraftsport-Verein Adler 1925“ gab es einen Aufschwung im Zerbster Boxsport, der schon 25 Boxer zählte.Ab 1927 waren es 30 Boxer, so daß vom Fliegengewicht bis Halbschwergewicht zwei Boxer vorhanden waren, zu denen 1929 noch ein Schwergewichtler kam. Am 10. Oktober 1927 vertrat Waldemar Schwichtenberg in Roßlau die anhaltischen Farben gegen Lettland und konnte seinen ersten internationalen Kampf nach Punkten gewinnen. Weiter waren 1927 bis 1931 erfolgreiche Boxer Willi Alex, Karl Sperfeld, Willi Schneider, Otto Meinhardt und Franz Richter. Am 12. November» 1929 boxte Waldemar Schwichtenberg für Anhalt in Magdeburg gegen Finnland und konnte einen K.-o.-Sieg erringen. Bei den erstmalig ausgetragenen Einzelmeisterschaften 1931/32 war Waldemar der erfolgreichste Zerbster Boxer. Einen wesentlichen Anteil bei allen Kämpfen hatten Trainer Willi Brandt und Paul Darbritz, der ihn bei allen Begegnungen betreute. Von seinen 233 Kämpfen konnte Waldemar Schwichtenberg die meisten durch K.-0. gewinnen. Von den Nachwuchsboxern, die noch im Arbeitersportverein „Adler“ waren, ist Otto Richter der bekannteste. Als äußeres Zeichen des Arbeitersports vor 1933 befindet sich noch heute eine alte Fahne im Besitz der Zerbster Boxer. Als der Arbeitersport 1933 aufgelöst wurde, fiel es uns schwer, in einen bürgerlichen Verein zu gehen. Um aber den geliebten Boxsport weiter bestreiten zu können, schlossen wir uns 1934 Viktoria 03 an. Viele 10- bis 12jährige Schüler konnten von 1935 an für den Boxsport gewonnen werden. Unbedingt genannt werden müssen die Techniker Otto Richter und Richard Dräger sowie die kampfstarken Boxer Herbert Tauber, Harry Brantscheit, Heinz Schmidt, Helmut Sandmann, Kurt Schwichtenberg und Ernst Brudloff, die alle zu Meisterehren kamen. Der erfolgreichste war Herbert Taub er der 1941 bis 1943 Gebietsmeister (Landesjugendmeister) wurde, und mehrfach erfolgreich in der Landesjugendauswahl boxte. 1942 war der Höhepunkt in seiner sportlichen Laufbahn bei der Jugend. Durch zwei K.-o.-Siege und zwei Punkt-siege konnte sich Herbert Tauber den Titel eines „Deutschen Jugendmeisters“ erkämpfen. Als Senior war er ein bekannter Berufsboxer. Die bekanntesten Begegnungen waren gegen den Neger Jimmy Lyget, den er in Magdeburg nach Punkten besiegte, während er in Berlin und München ein Unentschieden erreichte. Auch bei den Junioren kam Zerbst durch Paul Nickel, der 1951 keinen Kampf verlor, groß heraus. Nach dem. Bezirks- und Landesmeister kam er zu den Endkämpfen der DDR-Juniorenmeisterschaft in Güstrow und wurde „DDR-Juniorenmeister 1951 im Leichtgewicht“. Das war der Anfang einer großen Serie hervorragender Erfolge, die er dann bei den Senioren, erst noch bei Motor Zerbst, dann bei der Ligastaffel Motor Dessau und bis zum Ende seiner aktiven Laufbahn bei der Oberligastaffel von SC Traktor Schwerin erkämpfen konnte. Ab 1952 war Herbert Tauber verantwortlicher Trainer der Zerbster Boxstaffel. Bei einem Start mit der Bezirksauswahl Magdeburg der SV Motor im Oktober 1953 in Westdeutschland konnten die Zerbster Boxer in Köln mit 7 von 8 Punkten und in Marl mit 6 von 10 Punkten das beste Ergebnis der Auswahlboxer erkämpfen. Bei gesamtdeutschen Vergleichskämpfen in Zerbst konnten die Staffeln von SV Hamburg-Glinde und BC Northeim von der Zerbster Staffel besiegt werden, und der kampfstarken Staffel von Viktoria O8 Dortmund gelang nur ein knapper 12:8'-Sieg. Bei der Bezirksmeisterschaft 1953 wurde Ernst May im Endkampf gegen Brämer -« Magdeburg nur durch Fehlurteil Vizemeister. Auf Grund der beständig guten Leistungen wurde der Volkspolizist May Mitglied des Sportclub Dynamo Berlin. In seinem ersten internationalen Kampf be-siegte er den dreifachen CSSR-Meister Kucera, Roter Stern Prag, der schon 340mal im Ring gestanden hatte, einstimmig nach Punkten. In weiteren internationalen Kämpfen beim SC Dynamo bestand er am 26.September 1953 den bedeutendsten Kampf seiner sportlichen Laufbahn. Der Gegner war der polnische Boxer Antkiewicz, „Verdienter Meister des Sports“ und zweifacher Olympiamedaillengewinner (Silber und Bronze). Hier unterlag May nur knapp mit 2:1 Richterstimmen nach Punkten, was bei der Weltklasse der polnischen Boxer ein hervorragen des Ergebnigi war. In der Weltergewichtsklasse nahm Herbert Tauber in der Zehnbestenliste ganz Deutschlands den fünften Platz ein. Jetzt ist Herbert Cheftrainer des Sportclubs Motor Karl-Marx-Stadt. Nach dem wahnsinnigen faschistischen Krieg gab es viele Lücken in der Zerbster Staffel. 1947 trafen sich die Sportfreunde wieder, um den Boxsport zu neuem Leben zu erwecken. Unter Leitung von Erich Quast, Franz Richter und Willi Brandt wurde die Sektion Boxen der demokratischen Sportbewegung gegründet. Neben der Tätigkeit als verantwortlicher Trainer von 1948 bis 1952 war Erich Quast von 1949 bis 1952 als Ringrichter eingesetzt. Schon 1950 begann die Erfolgsserie der traditionsreichen Zerbster Boxstaffel. Als erster Senior konnte Gerhard Könnecke Bezirksmeister wer konnte in Halle den bekannten Georg Caroli nach Punkten besiegen und Landesmeister werden. Bei den Endkämpfen um die DD'R-Meisterschaft wurde May Dritter. Von 200 Kämpfen gewann er 149, unentschieden endeten 17 und verloren wurden 34. Die Zerbster Boxer, seit 1950 eine sehr kaınpfstarke Staffel, die bald über die Grenzen des Bezirkes. einen guten Namen hatte und ein gefürchteter Gegner war, hatten mit vielen bekannten Staffeln aus der DDR Vergleichskämpfe in Zerbst und außerhalb ausgetragen, aber selten gab es eine Mannschaftsniederlage. Aus dieser bisher stärksten Zerbster Boxstaffel müssen noch die Sportfreunde Paul Zimmermann, Gerhard Könnecke, Heinz Schmidt, Erich Müller, Walter Lembke, Harald Gensch und Manfred Schadow genannt werden. Durch intensive Trainingsarbeit und besonders durch seine sportliche Lebensweise entwickelte sich Paul Nic k el zum erfolgreichsten Zerbster Boxer. Nach Bildung einer Ligastaffel in Dessau wurde Nickel miteinigen Zerbster Boxern Mitglied von Motor Dessau. Da er aber weiter in Zerbst wohnte, boxte er auch noch für Zerbst. In seinem ersten internationalen Kampf gegen Kindler (Staatsmeister von Österreich) erkämpfte Paule“, wie er von seinen Freunden genannt wird, ein Unentschieden. Für die Europameisterschaften 1955 war er als Ersatzmann aufgestellt. In seiner ersten großen internationalen Bewährungsprobe vertrat Paul Nickel die DDR 1955 beıi den Weltfestspielen in Warschau und erkämpfte sich eine Bronzemedaille. Von Dessau ist er dann zum Sportclub Schwerin gegangen, wo er auch wohnhaft wurde. 1956 als Mitglied des SC Traktor mußte Nickel bei den Olympía-Ausscheidungskämpfen gegen den Westberliner Europameister Wenschöner antreten. Bei der Europameisterschaft 1957 in Prag vertrat „Paule“ die DDR mit recht guten Leistungen. In der Vorschlußrunde standen sich der spätere Europameister Pietrzykowski, Polen, und unser Paul Nickel gegenüber Nickel unterlag nach einer guten dritten Runde nur knapp nach Punkten. Im Mittelgewicht gelang es Paul Nickel als einzigem, dreimal hintereinander von 1957 bis 1959 deutscher Meister zu werden. In vielen Kämpfen der Nationalstaffel vertrat er die DDR auch im Ausland mit gutem Erfolg. Für seine ausgezeichneten Leistungen im Boxsport wurde Paul Nickel am 11. Februar 1959 der Titel „Meister des Sports“ verliehen. Auch bei den Europameisterschaften 1959 in Luzern, vertrat er wieder die DDR. Gleich im ersten Kampf traf er auf Vize-Europameister Walasek, Polen, und hatte ihn am Rande einer Niederlage, aber dieser erhielt den Punktsieg. Der oftmalige Kapitän der Nationalstaffel sah die Krönung seiner Laufbahn in der Teilnahme am Olympischen Boxturnier in Rom. Bei den gesamtdeutschen Ausscheidungskämpfen zur Teilnahme an den Olympischen Spielen war der Sieg über den Westdeutschen Strölrteuer erkauft. Eine Augenbrauenverletzung hinderte ihn am alles entscheidenden Kampf gegen Willer, Westdeutschland, der dann in 'Rom teilnahm. 1960 Wurde Paul Nickel deutscher Meister im Halbschwergewicht und erhielt den Wanderpreis des „Sportecho“. Von 1957 bis 1959 War er mit seiner Staffel von SC Traktor deutscher Mannschaftsmeister. Bei dem Endkampf um die deutsche Mannschaftsmeisterschaft in Berlin beendete er 1960 mit einem Sieg in seinem 227. Kampf die aktive Laufbahn und ist heute Trainer beim SC Traktor Schwerin. Ein besonders Lob verdient auch Otto Richter, der von 1956 bis 1961 verantwortlicher Trainer War. Neben seiner verantwortlichen Arbeit als Dreher in der Wema, Zerbst, wo er für seine guten Leistungen fünf-mal als „Aktivist“ und einmal als „Verdienter Meister“ ausgezeichnet Wurde, opferte er seine Freizeit dem Boxsport. Außer der Tätigkeit als Trainer, machte er noch die hauptsächlichste Arbeit des Sektions-und Technischen Leiters, wo er manchmal große Schwierigkeiten zu überwinden hatte. Unter seiner Leitung wurde Manfred Schadow 1956 Bezirksmeister und Dritter der DDR-Juniorenmeisterschaft. Auch Peter Fambach und Klaus-Dieter Hornemann wurden Bezirksmeister und mehrmalig in der Junioren-Bezirksauswahl eingesetzt. Auch unter dem jetzigen verantwortlichen Trainer Gerhard Könnecke konnte die gute Jugendarbeit fortgesetzt werden Friedhelm Friedrich und Hans. Plassa wurden Bezirksmeister und in der Junioren-Bezirksauswahl eingesetzt. Auch die Sportfreunde Natho und Neumann wurden Bezirksmeister und mehrere andere Vize-Bezirksmeister. Bei der Bezirksmeisterschaft 1957 Waren auch koreanische Boxer im Zerbster Ring. Seit 1961 verstärken sowjetische Sportfreunde die Zerbster Staffel, und ein junger Afrikaner befindet sich seit einiger Zeit beim Training. Neben den talentierten Michael Schüler und Georg Pommerenke sowie Klaus-Dieter Hornemann und Günter Wendel Waren oder sind mehrere Jugendliche bei der Volksarmee Einen großen Anteil hatten die Trainer Otto Richter und Gerhard Könnecke daran, daß Peter Fambach in Schwerin 1963 deutscher Juniorenmeister Wurde. Neben einer durchschnittlich guten Leistung bei den Senioren gibt es eine sehr gute Nachwuchsarbeit bei der Jugend. Bei intensivem Training und einem sportlichen Lebenswandel können noch weiter erfolgreiche Boxer aus der Zerbster Boxstaffel hervorgebracht werden. Quelle Heimatkalender Zerbst von 1968